Falls sich der eine oder andere fragt, was man mit seiner Ultraleicht-Lizenz anfangen kann: eine Idee wäre, an die Nordsee zum Baden zu fliegen. Aber eins nach dem anderen. Mein Bruder und ich hatten zufällig gleichzeitig drei Tage frei. Und wir wollten schon lange mal ein bisschen zusammen fliegen. Und — für 2024 durchaus erstaunlich — das Wetter war gut. Da wir beide den UL-Schein haben, haben wir uns vom Verein die Dynamic „ausgeliehen“ und sind Richtung Norden losgeflogen.
Mit ihren 220 km/h Reisegeschwindigkeit ist man je nach Wind in zweieinhalb bis drei Stunden an der Nordseeküste. Wir haben unterwegs allerdings einen Tank- und Pinkelstopp in Diepholz gemacht. Der Platz ist gemeinsam militärisch und zivil genutzt und hat manchmal eine Kontrollzone. Sehr interessant. War aber alles sehr entspannt, und mit frischen Avgas im Tank und einer Brezel im Magen sind wir weiter: über Emden, die Ostfriesischen Inseln, nach Wilhelmshaven, die Elbe und den Nordostseekanal gequert nach Heide-Büsum, einem kleiner Platz fast direkt an der Küste. Dort haben wir uns Fahrräder ausgeliehen und sind damit in den Ort geradelt. Den Abend haben wir gemütlich am Strand verbracht. Geschwommen sind wir nicht, aber bis zu den Knien sind wir im Watt/Wasser gestanden. Wie all die anderen 🙂 Schön!
Am nächsten Tag ging es weiter Richtung Osten. Ziel war Stralsund. Vorher sind wir aber kurz nach Sylt gedüst. Nur eine halbe Stunde Flugzeit, aber erstens ein sehr schöner Anflug und zweitens ein richtiger Flughafen, mit interessanten Verfahren. Die Lande- und sonstigen Gebühren sind etwas teurer, aber wenn man schonmal da ist …. Nach Besuch am Strand sind wir weiter über Flensburg, Kiel, Lübeck, Wismar und Rostock. Schon interessant, am bzw. über dem Meer zu fliegen. Oder zumindest an der Küste. Denn wenn man so richtig übers Meer fliegt braucht man Schwimmwesten. Diese hatten wir für diesen Trip nicht dabei.
Gegen 15:30 sind wir ins Stralsund angekommen. Der Platz ist ein Rübenacker (Fachbegriff für eine sehr unebene Grasbahn) und der Typ am Platz war grantig und schlecht gelaunt. Dafür kann man für 20 EUR am Platz übernachten, wenn man mit dem robusten Ex-DDR-Charme klarkommt. Ich glaube, wir müssen da nicht mehr hin. Jedenfalls waren die höheren Gebühren von Sylt damit wieder kompensiert 🙂 Auch hier haben wir getankt und sind abends eine Stunde in die Stadt gelaufen um was zu essen.
Das mit der Flugplanung ist übrigens gar nicht so einfach: es gibt nicht sooo viele Plätze, die wochentags offen haben, die in Laufweite einen REWE oder ne Bäckerei haben (oder man alternativ Fahrräder ins Dorf bekommt) und die keine horrenden Gebühren haben. Letztendlich war das der Grund warum wir uns für Stralsund statt Rügen entschieden haben.
Am nächsten morgen sind wir dann wieder nach Hause. Von Stralsund sind es knapp drei Stunden, die wollten wir nicht am Stück fliegen. Also gleiches Prozedere wie am Vortag: lustiges Suchen eines offenen Platzes mit erträglichen Gebühren. Zusätzliche Anforderung: Kaffee! Denn das gab es auf unserem VEB-Kombinatsflugplatz natürlich keinen. Und ohne Kaffee ist eine sichere Flugdurchführung nur für eine begrenzte Zeit gewährleistet! Unsere Wahl fiel auf den Magdeburg City-Airport. Die Kneipe dort macht zwar erst um 11 Uhr auf — zu spät für unseren Kaffee — aber ich kenne jemand, der dort bei der Polizeihubschrauberstaffel arbeitet. Den haben wir angepingt, und zufällig war er sogar da. Er hat uns beim Tower angemeldet, wir konnten direkt neben dem Polizeihangar abstellen. Wir bekamen eine kleine Führung durch das Staffelgebäude sowie den ersehnten Kaffee. Danke Gordon 🙂
Der restliche Flug war dann „uneventful“ wie es so schön heißt, wir sind in Flugfläche 80 über dem Thermikgerumpel geradeaus zum Messelberg geflogen. Da vermisst man den Autopilot! Um kurz vor zwei sind wir wieder heile auf dem Berg gelandet. Ein sehr schöner Ausflug wars!
Noch eine kleine Info für die (vermutlich wenigen) Piloten die das hier lesen werden. Auf dem Weg nach Stralsund haben wir geklärt, warum Wittmund, Nordholz und Schleswig sowohl eine TMZ (Transponder Mandatory Zone) und eine vollständig überlappende RMZ (Radio Mandatory Zone) haben. Eigentlich macht diese Kombination keinen Sinn: bei einer TMZ muss man auf einer angegebenen Frequenz hörbereit sein, und um das zu signalisieren, muss man einen bestimmten Transpondercode rasten. Man soll sich nicht aktiv auf der Frequenz melden; es geht nur darum, dass man von der betreffenden Flugverkehrskontrollstelle angesprochen werden kann, falls die mit einem reden müssen weil beispielsweise IFR-Verkehr koordiniert werden muss. Bei einer RMZ ist der Transponder außen vor; stattdessen muss man sich aktiv auf der veröffentlichten Frequenz melden. Hier, wo beide überlappen war also die Frage: sollen wir uns nun melden oder nicht? Was, wenn die TMZ- und RMZ-Frequenzen nicht die gleichen sind und man — wie in unserer Dynamic — nur ein Funkgerät ohne Monitoringfunktion hat?
An Wittmund sind wir gestern als erstes vorbeigekommen. Dort waren die RMZ und TMZ Frequenz die gleichen. Wir haben also mal bei Wittmund Radar reingerufen; der Lotse hat uns freundlich begrüßt und dann gesagt, dass wir uns uns nicht hätten melden müssen. Ok, das ist also eine TMZ und wir ignorieren die RMZ. Am zweiten Tag, in Schleswig, haben wir vorher auf der veröffentlichten OPS Telefonnummer angerufen um zu fragen was Sache ist. Antwort vom Menschen am Telefon: „Das haben mich schon mehrere gefragt, ich habe keine Ahnung. Und das machen eh die Militärs, die ändern die Verfahren immer mal wieder.“ Soso. Als wir dann unterwegs waren haben wir den Transponder gerastet und Schleswig Radar gerufen. Dieses Mal hab ich den Menschen dort direkt gefragt, wie das Verfahren hier gedacht ist. Der wusste mehr: die RMZ ist für Flugzeuge ohne Transponder gedacht, insbesondere Segelflieger. Deswegen sei das Gebiet auch als „RMZ (Glider)“ markiert. Davon hatten wir beide noch nie gehört und auch unsere (zugelassene!) Flugplanungs- und Navigationssoftware kennt dieses Detail nicht. Was uns der Lotse auch bestätigt hat, nachdem er selbige Software direkt mal auf seinem Telefon ausprobiert hat. Rätsel also gelöst. Und natürlich wurde das auch veröffentlicht, nämlich hier.