Vor sechs Jahren habe ich meine Segelfluglizenz erhalten. Dieses Jahr habe ich den Entschluss gefasst, die Lizenz um die TMG-Berechtigung, der Berechtigung zum Führen von Reisemotorseglern, zu erweitern.
Vor zwei Wochen habe ich die Ausbildung bei meinem Fluglehrer Günther Stübler begonnen. Am ersten Ausbildungstag ging es um Start und Landung, Handling des Motorseglers während des Fluges und um Notverfahren.
Jetzt, am zweiten Ausbildungstag, wollen wir den vorgeschriebenen Navigationsflug zu kontrollierten Flugplätzen machen. Als Ziele haben wir uns Memmingen, Kempten, Augsburg und Schwäbisch Hall ausgesucht.
Flugvorbereitung
Günther möchte, dass ich komplett „klassisch“ navigiere, sprich mit Karte, Kompass, Uhr und genauer Flugvorbereitung. Und vor allem: Ohne moderne Hilfsmittel wie GPS, MovingMap oder Smartphone-App. Das letzte mal, das ich als Flugvorbereitung tatsächlich mehr als einen Strich in der Karte gemalt habe, war an der Theorieprüfung zur Segelfluglizenz – und die ist jetzt fast sieben Jahre her.
Ich finde es gut, das mal wieder zu machen, elektrische Geräte können ausfallen, Karte und Kompass eher weniger.
Also: Strich in die Karte, Auffanglinien an markanten Punkten einzeichnen, Strecken messen, Flugzeiten berechnen, Kurse ablesen, in der AIP den Anflug über die Meldepunkte nachschlagen, feststellen, dass man so nicht anfliegen darf, alles wieder wegradieren, und dann wieder von vorne beginnen.
Da wir ohne MovingMap ankommen wollen, muss ich mir für fünf Flugstrecken plus Ausweichflugplätze über „was-wäre-wenn“ Gedanken machen.
Wenn zum Beispiel in Illertissen Fallschirmsprungbetrieb ist? Dann muss ich da außenrum fliegen. Aber wo lang? Und wie finde ich dann auf meine geplante Route zurück?
Oder wenn in Augsburg die Piste 07 statt der 25 in Betrieb ist? Dann muss ich über die Meldepunkte Oskar 2 und Oskar 1 statt über Lima abfliegen.
Unterm Strich habe ich dann die Routenplanung auf der Karte und auf fünf DIN-A4-Blättern, und weitere fünf Blätter mit dem vorbereiteten Funkverkehr für die kontrollierten Flugplätze.
Donzdorf – Memmingen
Als ich am am Sonntagmorgen auf dem Flugplatz ankomme ist Günther schon in der Luft. Er macht noch einen Checkflug mit einem anderen Piloten. Ich hole in der Zeit die Wettervorhersage und das NOTAM-Briefing ein.
Ich tanke den Motorsegler – voll. Wird ein langer Tag. Mit Günther bespreche ich dann meine Flugplanung. Er scheint zufrieden zu sein. Wir starten am Messelberg um 0939 UTC.
Zu Beginn mache ich mir etwas Gedanken, ob ich meine Auffanglinien auch finden werde. Es stellt sich aber schnell heraus, dass es sich gelohnt hat, die Abschnittsflugzeiten auszurechnen. Die ersten vier Auffanglinien (der Flugplatz in Urspring, die Auffahrt von der B10 auf die A8 bei Dornstadt, das Ulmer Münster und ein großer Möbelmarkt in Senden) finde ich problemlos, vor allem weil ich weiß, wann ich nach ihnen suchen muss.
In Illertissen ist tatsächlich Fallschirmbetrieb. Also fliegen wir, wie vorgeplant, um die Sprungzone herum.
Fünf Minuten vor erreichen des Pflichtmeldepunktes November 1 funke ich den Turm in Memmingen an und melde mich zur Landung.
Wir dürfen über die Meldepunkte November 1 und 2 in die Kontrollzone einfliegen. Nachdem wir den Platz überquert haben, geht es in die Platzrunde und zum Landeanflug. Hier fliegen sonst auch die deutlich größeren Flugzeuge einer gewissen irischen Fluglinie an. Und wir kommen hier mit einem 100PS-Falken an. Irgendwie lässig.
Beim Endanflug fällt es mir schwer die Höhe über der breiten Asphalt-Bahn einzuschätzen. Ich verlasse mich daher auf den Höhenmesser. Und siehe da, in Memmingen landen ist gar nicht so schwer.
Wir werden zum Parken aufs Vorfeld 2 geschickt. Abgesehen von uns parkt dort niemand. Auch schön.
Wir steigen aus, machen kurz Pause und besprechen den nächsten Flugabschnitt. Erst am Abend als ich mein Flugbuch schreibe, bemerke ich, dass wir über eine halbe Stunde im Memmingen waren.
Memmingen – Kempten
Der Abflug aus Memmingen gestaltet sich etwas weniger entspannt als der Anflug. Eigentlich wollte ich über den Meldepunkt Sierra nach Süden in Richtung Kempten abfliegen. Die Lotsin lässt mich aber über November 2 nach Norden aus der Kontrollzone ausfliegen. Nun müssen wir um die Kontrollzone fliegen. Das habe ich so nicht vorbereitet. Hier werde ich zum ersten Mal von Günther mit dem Navigationssystem unterstützt. Wir wollen keine Luftraumverletzung riskieren, aber auch nicht zu weit ausholen.
Der Flugplatz in Kempten liegt neben dem Autobahndreieck Allgäu und ist daher recht leicht zu finden. Der Endanflug führt über einen See und über die Autobahn.
Kempten – Augsburg
Ich hatte für die Strecke vergleichsweise wenige Auffanglinien geplant, da es entlang des Flugwegs wenige markante Punkte gibt. Ab Bad Wörishofen gestaltet sich der Weg nach Augsburg dann erstaunlich einfach. Entlang der Wertach geht es nach Norden. So kommen wir nicht in Konflikt mit den Kontrollzonen von Landsberg/Lech und Lechfeld.
Kurz vor erreichen der Kontrollzone von Augsburg drehen wir nach Osten zum Meldepunkt Sierra 1 und melden uns beim Turm zur Landung an. Ich hatte geplant, über Sierra 1 und Sierra 2 anzufliegen. Allerdings liegt Sierra 2 in einem Segelflugsektor und der ist aktiv. Der Lotse leitet uns über Oskar 2 um. Das war so nicht eingeplant und Günther schaut per GPS, dass wir auch richtig fliegen.
Augsburg – Schwäbisch Hall
Es ist tatsächlich die Piste 07 in Betrieb und wir müssen über Oskar 2 und Oskar 1 aus der Kontrollzone fliegen. Danach fliegen wir den geplanten Kurs finden aber die erste und auch die zweite Auffanglinie nicht. Die dritte ist das Überfliegen der Donau. Die werden wir ja wohl noch finden.
Spätestens an der vierten Auffanglinie bin ich mir wieder sicher, dass wir auf der geplanten Strecke sind. Auf der Linie Gundremmingen – Rauhe Wanne überfliegen wir zum geplanten Zeitpunkt eine markante Kirche.
Von hier aus hätten wir Schwäbisch Hall wohl auch ohne Karte gefunden. An Neresheim, Nördlingen und Aalen vorbei überqueren wir die Schwäbische Alb.
Schwäbisch Hall – Donzdorf
Auf dem Rückweg nach Donzdorf gönnt Günther mir den Luxus einer GPS-Naviagtion. Also verstaue ich vor dem Start meine Karte, die Flugplanung und die AIP im Ablagefach des Motorseglers und mache eine App auf meinem Smartphone auf. Sekunden später ist die Routenplanung erledigt. Wir treten den Heimflug an.
Mit einer MovingMap zu navigieren ist deutlich einfacher und komfortabler als manuell mit der Karte. Aber irgendwie auch deutlich weniger spannend.
Zurück in Donzdorf wird Günther schon erwartet. Der nächste Pilot braucht noch einen Checkflug.
Fazit
Die penible Vorbereitung hat sich gelohnt. Wir sind weitestgehend ohne Hilfsmittel ausgekommen und hätten es vermutlich auch ohne geschafft.
Abgesehen von der Prüfung fehlt mir jetzt nur noch ein größerer Flug zum Abschluss meiner TMG-Ausbildung. Dieser wird mich nochmal nach Kempten führen – dieses mal dann: Solo.