Donnerstag, der 16.08.2018

Eine Woche vor meinem ersten Alleinflug.

Das Engagement unserer Fluglehrer und unseres Schlepp-Piloten Wenne ermöglicht uns Flugschülern noch einige Schulstarts einen Tag vor der Abreise ins BWLV- Jugendlager nach Sinsheim. Aufgeregt bin ich schon, keine Frage, und befrage jeden einzelnen meiner Fliegerkameraden zu ihren Erfahrungen. Zu den Lehrern, den Flugzeugen, dem Ablauf. Und natürlich den Fortschritten, die man in so einem Lager macht. Immer wieder höre ich den gleichen Satz „Deinen Alleinflug machst du da, auf jeden Fall.“ Ich selbst bin davon wenig überzeugt. 21 Starts habe ich jetzt, aufgrund einer nicht gerade förderlichen Pause nur sieben dieses Jahr. So ganz alleine – ohne eine Rückabsicherung im Sitz hinter mir – kann ich mir noch gar nicht so richtig vorstellen.

Donnerstag, der 23.08.2018

Der Morgen vor meinem ersten Alleinflug.

Ich werde von hupenden Fahrzeugen geweckt. Ein Blick aufs Handy, es ist 6 Uhr. „Morgensport“, tönt es durch den Modellbauraum. Dieser dient als vergleichsweise durchaus komfortables Mädchenzimmer, das Kim und ich, die einzigen beiden weiblichen Teilnehmer in diesem Jahr, bewohnen. Motivation sieht bestimmt anders aus, außerdem haben Kim und ich auf Grund der vorausgegangenen Tage, bei denen die Durchschnittstemperatur 32°C betrug, nachts die Tür offen gelassen und haben nun beide eine Erkältung.
Nachdem alle Teilnehmer die 1,1 km-Bahn hoch- und dann wieder hinuntergejoggt sind, frühstücken wir zusammen. Der Himmel ist bewölkt, das Wetter soll gegen Abend kippen.
Meine Lehrer befragen mich zu meiner Gesundheit, mit Erkältung soll auf Grund der Druckverhältnisse nicht geflogen werden, das weiß ich. Da es mir aber schon besser geht und ich mich für voll funktionsfähig befinde, entscheide ich mich zu fliegen.

10:12 Uhr.

Björn steigt aus, er ist zufrieden. Nach zwei Starts mit Thomas, eine davon eine Seilrissübung, hat auch Björn beschlossen, die ASK 21 auf grob 200m über Grund früher aus dem Windenschlepp zu holen. Björn und Thomas sind zwei von unseren Fluglehrern im Fliegerlager. Auch ich bin zufrieden, die Seilrissübungen, die mir anfangs als Windenlaie noch zu denken gaben, liefen reibungslos ab und die Mechanismen griffen.
Als ich wieder im Schatten neben dem Startbus Platz nehme, gehe ich wie immer nochmal meinen Flug durch. Dabei muss ich plötzlich an den ersten Alleinflug von Jan, einem meiner Freunde aus der Fliegergruppe, denken: drei Starts hatte er an diesem Tag noch gemacht, zwei davon Seilrissübungen. Vor einem Alleinflug müssen sich zwei Fluglehrer einig sein, dass der Schüler bereit ist, alleine zu fliegen, um Sicherheit zu garantieren. Daher machte Jan seine drei Starts mit zwei verschiedenen Fluglehrern. Ich erwarte nichts, aber eine gewisse Vorahnung habe ich schon.


12 Uhr.

Eigentlich will ich nur mit einigen der anderen zum Mittagessen fahren, als mich Thomas aus dem Lepo pfeift. Mir geht es mittlerweile wieder schlechter, ich bin einfach nicht so richtig fit, hänge eher „wie ein Tropfen Wasser in der Kurve“ herum. Er fragt mich, ob ich nicht vor dem Mittagessen noch fliegen will. Ich erkläre dem Fluglehrer, mit dem ich hier in den letzten Tagen die meisten Starts gemacht habe, dass ich mir nicht sicher bin, wie verantwortungsvoll es jetzt von mir wäre, zu fliegen. „Aber ich will schon gern, und ich weiß ja auch, dass du dabei bist.“ Stille. Thomas schaut mich an. Endlos lange kommt es mir vor. „Weißt du, es ist so: Eigentlich hätte ich dich da jetzt alleine reingesetzt.“ Relativ gefasst machen Björn, Thomas und ich Lagebesprechung und beschließen, den Nachmittag, ansonsten auch den nächsten Tag abzuwarten. Denn im Zweifel: Nein. Das ist klar.
Ich bin mir absolut sicher, dass die plötzliche Genesung vom Adrenalin und von den Endorphinen herrührt. Meine Vereinskameraden, die sich mindestens genauso freuen wie ich, fahren sofort nach dem Essen mit mir an den Start, um die D-6448 vorzubereiten.
39 Starts, denke ich. Windenstarts seit einer Woche. Bin ich bereit für einen Alleinflug?
Ich habe oft überlegt, wie sich der Moment vor dem Alleinflug anfühlen würde. Ich war mir sicher, dann wäre ich darauf vorbereitet, wüsste was auf mich zukommt. Aber so ist es nicht, denke ich, ich hab keine Ahnung wie das gleich wird. Und dann denke ich: Wie soll ich auch? Woher soll ich wissen, wie es allein im Flugzeug ist? Und vorbereitet bin ich, auch wenn ich es kaum glauben kann. Ja, ich kenne den Check, kenne den Ablauf, kenne die 21. Ich kenne den Platz, die Position, kenne auch die Notverfahren. Das wissen meine Fluglehrer, und ich weiß es auch. Ich bin bereit.

14.10 Uhr.

Thomas kniet bei meinem kompletten Check neben mir, geht mit mir den Flug durch, erklärt mir, wie sich das Flugzeug ohne Fluglehrer im Rücksitz verhält. Dann steht er auf, ich schließe die Haube, er klopft auf die Schnauze, lächelt mich ermutigend an und geht zur Fläche. Und plötzlich ist es ganz still und ich voll konzentriert. Langsam strafft sich das Seil, das sehe ich, aber ich bin ruhig. Ganz ruhig.
Der Start läuft problemlos ab. Entspannt mache ich, was ich hier seit einer Woche schon mache, Platzrunde, kreisen, bei 350 m sollte ich an der Position sein. Aber dank der sich nähernden Gewitterfront gleite ich beim Kreisen keine Höhe ab, es steigt und nach Rücksprache kurbel ich noch ein wenig, bevor ich an der Position meinen Funkspruch abgebe. Die Landung war sicher nicht meine Schönste, vermutlich die bisher Unschönste um ehrlich zu sein, und trotzdem: der Flug war für mich mein schönster (Sorry an die Fluglehrer an dieser Stelle, ich fliege auch mit euch gerne).


Ein großes, großes Danke an Euch und an alle anderen, die das möglich gemacht haben, an alle die im Flugbetrieb helfen, die Tipps geben und alle, die die Frustration nach Fehlern abdämpfen. Fliegen funktioniert nicht nur ausschließlich mit Leuten wie Euch, es macht auch nur mit Euch wirklich Spaß!

Wir gratulieren Ellen ganz herzlich zum ersten Alleinflug und wünschen ihr weiterhin viel Spaß beim Fliegen und allzeit „happy landings“!